Görlitzer Park
Neben allen Schlagzeilen, die der Park in den letzten Jahren geschrieben hat, ist er vor allem eine der grünen Lungen im Berliner Ortsteil Kreuzberg und eng verwoben mit der jüngeren Geschichte der Stadt.
Vom Bahnhof zum Park
Der Görlitzer Park ist auf dem Gelände des gleichnamigen früheren Bahnhofs entstanden. Die nahegelegene U-Bahn-Station trägt bis heute den Namen Görlitzer Bahnhof. Dort stand die prächtige von zwei quadratischen Türmen gesäumte Eingangshalle. Er war seit Ende der 1860er-Jahre einer der Kopfbahnhöfe der Stadt. Von hier aus rollten die Personen- und Güterzüge durch Brandenburg und Sachsen über Cottbus nach Görlitz. Von den Kohlerevieren in der Lausitz aus wurde Berlin auf diesem Weg mit Brennmaterial versorgt. Eingeweiht wurde er vom König Wilhelm I. allerdings mit der Abfahrt eines Zuges voller Soldaten. Die gesamte Anlage wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe stark zerstört, bis 1951 aber weiterhin für den Personenverkehr genutzt.
Trotz starker Bürgerproteste wurde die Ruine des Bahnhofsgebäudes Anfang der 1960er-Jahre gesprengt und abgerissen. Es bildete zusammen mit der nur wenige Schritte entfernt gelegenen Emmaus-Kirche am Lausitzer Platz ein vom Architekten August Orth geplantes typisches Bauensemble im Stil der Neorenaissance. Glücklicherweise blieb die Kirche erhalten. Die den Landwehrkanal überspannende Brücke, zwei Güterschuppen, die das Gelände umgebende Mauer und Gleisstücke erinnern weiterhin an die Nutzung als Bahnhof. Auch die Reste eines Baus mit wenig ansprechendem Namen, dazu gleich mehr.
Direkt an der Berliner Mauer
Bis in die 1980er-Jahre hinein fuhren weiterhin Güterzüge vom Ost-Teil der Stadt kommend auf das als Kieslager und Kohlenplatz dienende Gelände auf West-Berliner Gebiet. Dafür war zwischen Alt-Treptow auf DDR-Gebiet und Kreuzberg in Berlin-West ein Grenzübergang auf der Eisenbahntrasse eingerichtet worden. Die Berliner Mauer verlief entlang des Landwehrkanals am östlichen Ende des jetzigen Parks. Von der bis heute erhaltenen sogenannten Beschaubrücke aus kontrollierten die Grenzposten der DDR die Güterwaggons.
Görlitzer Tunnel
Bereits seit Bau der Bahnhofsanlage, solange die Mauer stand und das Gelände mit Zügen befahren wurde, war es den Bewohnenden der auf nördlicher und südlicher Seite liegenden Kreuzberger Kieze nur mit einem weiten Umweg über die Skalitzer Straße möglich, auf die andere Seite zu kommen. Oder man lief durch den 170 Meter langen Fußgängertunnel, der die Wiener Straße mit der Görlitzer Straße verband. Er war bereits einige Jahre nach Bau des Görlitzer Bahnhofs um 1910 angelegt worden und zunächst als Görlitzer Tunnel bekannt. Später ging er unter den Namen Pisstunnel oder, typisch Berliner Wortwitz, Harnröhre in den Sprachgebrauch ein. Überreste davon sind in der riesigen Mulde zu sehen, die mit der Umgestaltung zum Park und Entfernung des Tunnels entstand. Heute dienen die Steinreste als Sitzgelegenheiten und Klettergeräte.
Ende der Gütertransporte
Ab Sommer 1985 rollten auch keine Güterzüge mehr. Die schon lange gewünschte oder auch geforderte Umgestaltung zum Park konnte endlich beginnen. Der ging ein harter Kampf voraus. Bereits 1959 hatte es einen ersten Vorschlag vom Kreuzberger Bürgermeister gegeben, der sich einen Grünzug vom Plänterwald über den Treptower Park bis auf das Gelände wünschte. Bereits damals mangelte es dem wie in einer Sackgasse zur kurz danach gebauten Mauer nach Ost-Berlin hin gelegenen Teil Kreuzbergs an Grünflächen. Die typischen Berliner Mietshäuser mit ihren Hinterhöfen waren und sind eng bewohnt. Es fehlt an Licht, Luft und Platz. Eine aus der Bürger- und Hausbesetzerbewegung in den umliegenden Kiezen entstandene Initiative rund um den Verein SO 36 hatte mit einem Kinderbauernhof im südlichen Geländeteil die Umwandlung angestoßen. Doch nun musste erst einmal der durch die lange gewerbliche Nutzung und illegalen Müll kontaminierte Boden gesäubert und ausgetauscht werden, um den neuen Freiraum entstehen zu lassen. Es ist ein Rückzugsort mit Ecken und Kanten geworden. Und natürlich hat auch dieser Berliner Ort seinen Bauskandal:
Pamukkale-Brunnen
Der Bildhauer Wigand Wittig hatte für den 1998 eingeweihten Brunnen, der dem berühmten türkischen Naturdenkmal aus Kalksteinterrassen in Pamukkale nachgeahmt war, ungeeignetes Material genutzt. Bereits nach dem ersten Winter war die Anlage so stark beschädigt, dass sie gesperrt und einige Jahre später abgerissen werden musste. Das wiederum wurde von unbekannten Aktivisten mit dem Ausgießen roter Farbe beantwortet. Diese sollte das Ausbluten der Vielfalt und Integration symbolisieren. War doch der Brunnen auch ein Erinnerungsort für die türkischstämmige Gemeinschaft. Der Künstler des Pamukkale-Brunnens leistete nach mehreren Verfahren schließlich Schadenersatz in Höhe von 1,1 Millionen Euro an den Bezirk.
Und auf den für Kunst gedachte Terrassen durfte sich nun Natur ansiedeln: Eine Streuobstwiese wurde angelegt. Die stetig wachsende Zahl an Apfel- und Birnbäumen wird von Anwohnenden gepflegt. Geerntet werden darf von allen, die sich über das Obst freuen. Aus dieser und weiteren Initiativen heraus hat sich die AG Görlitzer Park gegründet. Sie arbeitet eng mit dem Grünflächenamt und den Integrationsbeauftragten des Bezirks zusammen.
Parkpflegewerk Görlitzer Park
Außerdem gibt es ein Parkpflegewerk, um das Grün zu schützen. Denn, und nun kommen wir doch ganz kurz zu einem der üblichen Schlagzeilen-Themen, es wurde 2014 unter Innensenator Frank Henkel (CDU), die Task Force Görlitzer Park gegründet. Ihr Ziel war es, gegen die Drogenkriminalität im Park vorzugehen, doch vor allem ging es dem Grün an den Kragen. In einer großen Aktion der sogenannten Umgestaltung wurden Büsche und Hecken entfernt und so stark beschnitten, dass sie verbotenen Substanzen, ihren Handelnden und Konsumenten, aber auch Tieren nicht mehr als Schutz dienen konnten.
Das Parkpflegewerk dient dazu, die im Park lebenden Tiere und Pflanzen zu erfassen. Dazu gehören Bäume bis hin zu Kräutern, sowohl Greifvögel als auch Käfer. Die Qualität der Gewässer, es gibt einen Teich im Nordosten des Parks, und der Böden wird regelmäßig untersucht und auf organisierten Parkspaziergängen wird dieses Wissen an interessierte Besucher weitergegeben. Außerdem kann an gemeinsamen Aktionen wie Neupflanzungen, der Fokus liegt dabei auf einheimischen Pflanzen mit geringen Ansprüchen an ihre Umgebung, Saatgut-Sammeln oder Nistkastenbau teilgenommen werden.
Seit 2018 gibt es einen aus der AG Görlitzer Park hervorgegangenen Parkrat Görlitzer Park, der im Rahmen eines Bürger*innenbeteiligungsverfahrens alle zwei Jahre von allen Menschen “ab 14 Jahren, die sich als Nutzer*innen und Anwohner*innen des Görlitzer Parks sehen”, gewählt werden kann. Sein Ziel ist es, als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Nutzenden des Parks aufzutreten und Konflikte zu entschärfen.
Wenn das klappt, können endlich alle friedlich zusammen oder nebeneinander leben und der Park als Lebensraum für alle erhalten bleiben. Es geht um Vielfalt und dazu gehört auch die Biodiversität. Wir Menschen sind nicht alleine in dieser Stadt.