Müggelheim | Paddeltour Gosener Graben
Ich rolle in Richtung Osten aus Müggelheim heraus und bin ein wenig aufgeregt, denn mein Vorhaben heute ist eine Premiere für mich. Auf dem Weg entlang des brausenden Verkehrs auf dem Gosener Damm überhole ich eine joggende Mutter und ihr radfahrendes Kind. Warum hier, wenn es doch gleich abseits der Straße so schöne Waldwege gibt, wundere ich mich. Und wundere mich gleich darauf erneut. Über ein weißes Lastenfahrrad, das mir aus der Ferne entgegen kommt. Überraschung: Es ist ein Bekannter, der von einem Ausflug an die Spree zurückkommt. Ein kurzer Schnack und weiter geht es nach Gosen hinein, am Ortseingang gleich scharf rechts ans Wasser hinunter zum Bootsverleih Gosen.
Das Ufer gehört zu Brandenburg. Sobald ich in dem knallroten Kajak dümpel, bin ich wieder auf Berliner Stadtgebiet. Der Einstieg in den Einsitzer gelingt mir erstaunlich elegant, wenn auch umständlich. Es sitzt sich sehr gemütlich auf dem mit einem geblümten Kissen gepolsterten Sitz. Das Paddel liegt gut in der Hand und ich bewege mich langsam aus dem engen Strom hinaus in Richtung Seddinsee. Die grobe Wegbeschreibung habe ich im Kopf. Es kann auch wenig schief gehen, wenn ich einfach das dicht mit Seerosen bewachsene Ufer an Steuerbord lasse. Die Sache mit Backbord und Steuerbord kann ich mir übrigens nur merken, da der Herd auf unserem Segelboot rechts war und genau dort war eben nicht Backbord! Meine Eselsbrücke seit ich denken kann.
Naturschutz & Vogelschutz im Wasser & an Land
Noch vor dem Seddinsee sehe ich eine Trauerseeschwalbe. Dieser stark vom Aussterben bedrohte Vogel hat hier, im Naturschutzgebiet der Müggelspreeniederung, einen sicheren Ort gefunden. Wie auch die Haubentaucher auf ihren Nestern, die sich mit den Möwen kabbeln. Möwen unterschiedlichster Größe sitzen auf fast jedem der Markierungspfähle und Hinweisschilder, die im Wasser die Begrenzung für das Vogelschutzgebiet bilden. Es ist windstill heute. Unter mir schrammen die Auswüchse der Seerosen am Kajak. Ich kann bis auf den Boden des Gewässers blicken.
Vom Seddinsee in den Gosener Graben hinein
Schon von weitem sehe ich rechts von der breiten Fahrrinne des Gosener Kanals die Einfahrt in den Gosener Graben. Inzwischen fühle ich mich sicherer in meinem ungewohnten Gefährt und hole das Smartphone zum Fotografieren heraus. Die Kamera habe ich heute leider nicht dabei, sicher ist sicher. Kurz hinter der Einfahrt liegt links eine verlassene Jacht.
Dann tauche ich in das verhangene Grün des Gosener Grabens ein.
Erst vor kurzem ist er wieder geöffnet worden. Einige Zeit war er von umgestürzten Bäumen blockiert. Außerdem mussten die Uferstreifen gesichert werden. Das dauerte, da das Gelände überwiegend in verschiedenem Privatbesitz ist und damit dessen Eigentümer zu den Arbeiten aufgefordert werden mussten. Ich ziehe an einem idyllisch gelegenen Häuschen vorbei, dann erreicht mich unter einer Brücke noch einmal der Verkehrslärm der Gosener Landstraße. Bis zum Dämeritzsee sehe und höre ich, abgesehen von einer Handvoll anderer Paddler und Ruderer, nichts. Außer viel Natur, Pflanzen, die ich vielleicht irgendwann einmal benennen kann und Vögeln, die ich allmählich besser erkennen kann. Kein Wunder, wenn sie einem so nahe kommen wie das Mandarinentenküken, das plötzlich seine Mutter und Geschwister verlässt und hinter mir herflitzt. Einem vorbeiziehenden Ruderboot springt die Entenmutter kurzerhand auf den Rand. Vielleicht, um einen besseren Blick auf ihre acht Küken zu haben. Immer wieder höre ich den Kuckuck rufen. Im Schilf knarzen die Rohrsänger. Der Ausdruck “Schimpfen wie ein Rohrspatz” hat übrigens nichts mit den lustigen Kollegen zu tun, die inzwischen gerne die Städte besiedeln. Er bezieht sich auf diese Vögel, die im Röhricht ihren Lebensraum gefunden haben und daher leider schwer zu entdecken sind. Wieder etwas Überraschendes gelernt bei der Recherche. Am Ufer klopft es. Ich erwarte einen der vielen Buntspechte zu sehen, stattdessen beäugt mich ein Schwarzspecht! Wie groß der ist, im Vergleich zu seinen bunten Artgenossen.
Als ich den Dämeritzsee erreiche, fährt gerade ein dickes Motorboot mit einem pinkfarbenen Einhorngummiboot am Heck in den Kanal ein. Schnell weg von hier. Ich wende, mache ein paar Paddelschläge in den Graben hinein und Pause. Ganz langsam bewege ich mich zurück zum Seddinsee.
Wer weiß, wann ich wieder herkomme. Und vor allem: Wird es dann wieder so friedlich sein? Momentan sind nur einzelne Menschen auf dem Wasser unterwegs. Und noch weniger in der Luft. Der Flugverkehr wird bald wieder verstärkt über dieses Gebiet führen.
Ein Schlenker zum Fischer in Brandenburg
Auf Empfehlung des netten Mitarbeiters des Bootsverleihs, der mich in Empfang nimmt und sicher wieder aufs Trockene bringt, besuche ich noch ein Stück tiefer auf Brandenburger Boden die Fischerei Am Kaniswall in Löcknitz. Ganz in der Nähe befindet sich übrigens ein Informations- und Lernzentrum zum Thema Natur: das Freilandlabor Kaniswall.
Der Fisch war ganz vorzüglich. Wie schön, dass er an Donnerstagen auf dem Markt am Kollwitzplatz und an weiteren Tagen in anderen Ecken von Berlin zu haben ist.