Intelligenzsiedlung & Jüdisches Heim | Niederschönhausen
Die Straße, in der ich lebe, ist nach dem Künstler Erich Weinert benannt, der vor allem durch seine Texte bekannt wurde, aber auch als Zeichenlehrer aktiv war. Der allerdings lebte bis 1953 ein Stück weiter nördlich, in der später nach ihm benannten Intelligenzsiedlung in Niederschönhausen. Sie wurde auf Betreiben der DDR-Regierung in den Jahren 1950/51 auf einem sandigen Stück Boden südlich der Schönholzer Heide gebaut, um Kunst- und Kulturschaffende ins Land zu holen. Neben den hier gebauten Wohnhäusern, teilweise mit Anbauten, die als Atelier und Werkstatt dienten, waren weitere solcher Siedlungen in Grünau oder kurz hinter der Stadtgrenze, in Kleinmachnow, im Angebot.
Am Haus der Bildhauerin Ruthild Hahne ist noch der alte Straßenname 201 zu sehen. Sie ließ das Gebäude nach ihren eigenen Vorstellungen schaffen und offenbar war sie nicht damit einverstanden, dass es nach dem 17. Juni 1953 in kommunales Eigentum umgewandelt wurde. Es ist zu besonderen Gelegenheiten, wie dem Tag des offenen Denkmals, zu besichtigen. Ebenso das gegenüber liegende Haus der Max-Lingner-Stiftung. Dieses Jahr finden die von der Deutsche Stiftung Denkmalschutz organisierten Besichtigungen übrigens in digitaler Form statt. Ich bin gespannt, ob diese beiden Gebäude dabei sein werden.
Umbenennung in Beatrice-Zweig-Straße
Nach dem Tod Erich Weinerts trug die Siedlung einige Jahrzehnte seinen Namen. An der Kreuzung Hermann-Hesse- und Heinrich-Mann-Straße ist ein inzwischen verwahrlostes Denkmal samt Zitat von ihm zu sehen. Die Fahnenmasten rosten vor sich hin, die Gedenktafel ist beschmiert. Leider hatten seine Aktivitäten während der Zeit in der Sowjetunion Menschenleben gekostet, was das Andenken an ihn zwiegespalten macht. Sicherlich fiel auch deshalb im Jahr 2010 die Entscheidung, die Straße umzubenennen. Heute trägt sie den Namen der Malerin Beatrice Zweig.
Es fehlt an Mietern
In den Gärten blüht es üppig, die denkmalgeschützten Häuser sind in unterschiedlich gutem Zustand. An den meisten Gartentoren wird vor bissigen Hunden oder wachsamen Nachbarn gewarnt. Heute ist es aber ganz friedlich und verschlafen in der Siedlung. An einem der Bäume entdecke ich einen selbstgezimmerten Kasten. Der sehr nette Besitzer erzählt mir, dass er auf Schleiereulen als Bewohner gehofft hat. Aber bisher haben sich dafür keine Mieter gefunden. Sicherlich sonst kein Problem in dieser Gegend.
Ich rolle an der Schönholzer Heide durch die Kleingärten und am Zingergraben entlang. Früher diente er der Entwässerung der Rieselfelder und mündet in die Panke.
Jüdisches Säuglings- und Kinderheim in Niederschönhausen
Nicht weit davon gelange ich im angrenzenden Wohnviertel in die Wilhelm-Wolff-Straße. Früher hieß sie Moltkestraße. An der heutigen Hausnummer 30/31 steht das Gebäude, von dem Regina Steinitz in ihren Erinnerungen berichtet. In dem ehemaligen jüdischen Säuglings- und Kinderheim, das bis in die frühen 90er-Jahre noch als Altenheim diente, fanden nach dem Krieg überlebende Kinder und ältere Menschen Zuflucht. Die jüdische Gemeinde hatte das Gebäude und den angrenzenden Garten nach dem Krieg und seiner Nutzung als Lazarett zurückerhalten und schuf dort für wenige Jahre das Heim, in dem auch Regina Steinitz lebte und als Betreuerin arbeitete. Ihre Autobiografie ist als Buch mit dem Titel “Zerstörte Kindheit und Jugend - Mein Leben und Überleben in Berlin” bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas erhältlich.
Lust auf mehr? Dann bietet sich die Tour durch Pankow an.