Reinickendorf | 5 Ortsteile-Tour
”Mit @jennyberlintouren war ich kürzlich in diesem Bezirk unterwegs. Wohin ging's?
Bald mehr dazu, erstmal schnell raus nach Brandenburg & noch ein paar Seen sehen.” - so startete die Instagram-Reihe zum Thema Reinickendorf vor ein paar Wochen. Und der Kollege Claas erkannte es natürlich gleich: Reinecke Fuchs im Wappen, obwohl der Bezirksname wahrscheinlich eigentlich vom Gründer Reinhardt hergeleitet ist, das kann nur Reinickendorf sein. Hier noch einmal alle fünf Posts ganz leicht überarbeitet zu einem Beitrag zusammengefasst.
Die Weiße Stadt
Los geht es im namensgebenden Ortsteil. Dort liegt die Weiße Stadt. Als eines der letzten großen Bauprojekte der Berliner Moderne wurde diese Siedlung mit fast 1300 Wohnungen Ende der 1920er Jahre errichtet. Ein besonderer Fokus lag auf klaren Formen, grünen Plätzen, guter Infrastruktur und einer insgesamt hohen Lebensqualität. Ganz in der Nähe findet sich der Dorfkern von Alt-Reinickendorf mit der Feldsteinkirche, dem Dorfanger und einem gemütlich aussehenden Wirtshaus mit Biergarten. Für ein Bier ist es aber noch zu früh, also rollen wir weiter in den nächsten Ortsteil, selbst den Ableger von "Berlins Sonnenstudiokette mit bundesamtlichem Prüfsiegel" lassen wir links liegen.
Wie Dalldorf zu Wittenau wurde
Wir fahren in den Ortsteil Wittenau hinein & über das Gelände von Bonnies Ranch. Vorher noch nie gehört, diese Bezeichnung für die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Aber als wir später beim Bier von unserer Entdeckungstour erzählten, platzt ein Bekannter, in Ost-Berlin aufgewachsen, mit dem Begriff heraus.
Die Klinik, Ende der 1800er-Jahre als "Irrenanstalt der Stadt Berlin zu Dalldorf" gegründet, führte zu dem neuen Namen des alten märkischen Dörfchens Dalldorf. Denn die Bewohner wollten nicht ständig mit den Patienten der "Irrenanstalt" in Verbindung gebracht werden und so ging 1905 der ehemalige Dorfvorsteher Witte mit dem neuen Namen des Ortsteils - Wittenau - in die Geschichte ein. Moderne Architektur mischt sich mit den Klinkerbauten. Dazwischen Zäune, da das Krankenhaus der JVA hier untergebracht ist.
Im Haus 10 ist die Ausstellung totgeschwiegen 1933-45 eingerichtet. Die Recherchen dazu begannen 1980 auf Initiative des damaligen ärztlichen Leiters der Klinik. Denn in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum waren die Jahre der NS-Zeit nicht erwähnt. Angeblich gab es keine Unterlagen mehr...
Ein Besuch bei der Dorfkirche von Alt-Wittenau darf natürlich auch hier nicht fehlen. Und damit korrigiere ich einen Fehler von gestern: Der schöne Biergarten, den ich in den Ortsteil Reinickendorf steckte, der liegt bei der Kirche von Alt-Wittenau. Der Gasthof heißt Zur Dorfquelle und bietet offenbar richtig gute Küche.
Wo Puttos zu Jägern werden
Passend zur Entstehung von Waidmannslust steuern wir diesen Ortsteil durch den waldigen Steinbergpark an. Hier gründete nämlich der Förster Bondick vor fast 150 Jahren auf seinen Ländereien eine Villenkolonie und, denn er war auch Wirt, das Gasthaus Waidmannslust. Praktisch, dass bald darauf eine S-Bahn-Station der Nordbahn hinzu kam & später sogar die Tramlinie 68.
Vor die Königin-Luise-Kirche wurde 1925, zum 50. Geburtstag des Ortsteils, der Juiläumsbrunnen mit einem zur Jagd ausstaffierten Putto samt Dackel gesetzt. Wir setzen uns für ein Picknick dazu. Ganz ruhig ist es hier. Bis auf die Autos, die auf holprigem Pflaster die - für Berlin - steile Hochjagdstraße hinauf- & herunterrumpeln. Einige der großzügigen Villen wurden nach 1945 zu Residenzen der französischen Militärverwaltung, wie die an der Dianastraße.
Ortsteil mit der höchsten Promi-Dichte im Bezirk Reinickendorf:
Der Maler Max Beckmann zog 1907 in der Ringstraße in Hermsdorf in ein Atelier- & Wohnhaus im Stil des Neuen Bauens. Das Haus hatte seine Frau Minna Tube, eine der ersten Absolventinnen der Kunstschule in Weimar, entworfen. Später war sie auch als Sängerin erfolgreich. Die Gedenktafel am Haus erinnert nur an ihren Mann...Erich Kästner lebte in den 1960er-Jahren mit Blick auf den Waldsee in der Parkstraße. Und Farin Urlaub, Gitarrist & Sänger der Ärzte, machte in Hermsdorf Abitur. Der wohnte damals noch unerkannt als Jan Vetter im benachbarten Ortsteil Frohnau.
Kurz bevor man von Hermsdorf aus Frohnau erreicht, schiebt sich mit der Straße Am Sandkrug ein Stückchen Brandenburg dazwischen. Wie ein Entenschnabel geformt ist dieser Streifen Land. Auf Stelen mit eindrucksvollen Fotos wird hier an den Verlauf der BerlinerMauer erinnert.
In Frohnau steht ein Elefantentor
Und über 73 Stufen - als Symbol für den Pfad zur Erlösung in der buddhistischen Lehre - erreicht man das dahinter liegende Buddhistische Haus. Das ließ in den 1920er-Jahren der Arzt Paul Dahlke bauen. Um die Jahrhundertwende hatte er auf seinen Weltreisen zum Buddhismus gefunden. Sylt war ihm als Standort für sein Kloster nicht abgeschieden genug, der Hindenburgdamm war in Planung, also lieber hier.
Gegenüber liegt eine kleine Parkanlage mit einem Stück Baugeschichte, das sich hierher verirrt hat. Ein Kapitell aus dem alten Berliner Dom. Als der 1893 abgerissen wurde, sind offenbar Teile gerettet worden, die Architekturstudien oder der Parkverschönerung dienen sollten. "Herr Senheimer" alias Farin Urlaub alias Jan Vetter wohnte übrigens nicht weit von hier in der gleichnamigen Straße.