Staaken
Für Staaken brauche ich zwei Anläufe. Beim ersten Mal bin ich zufällig und völlig unvorbereitet da, als Stadtführer Claas und ich unsere Entdeckungstour von Kladow über Gatow und Wilhelmstadt mal eben verlängern.
Wie ich erst später kapiere, ist die Kombination von Flugplatz Gatow und Staaken innerhalb einer Tour perfekt. Auch das Gedenkkreuz an der Kirche sehe ich beim ersten Besuch nur aus dem Augenwinkel und erfasse gar nicht, dass die eingeprägten Jahreszahlen sich nicht mit den üblichen Daten der deutschen Teilung decken. Und dann ist da noch die Bäckerei. Besser gesagt: Die Bäckereien.
Feinbäckerei Pieper in Alt-Staaken
Der quietschbunte, geduckte Bau mit dem Namen Ihr Landbäcker bildet einen merkwürdigen Gegensatz zu dem Haus nebenan, in dem einmal das Ehepaar Pieper Backwaren produzierte, verkaufte und als Wohnhaus nutzte. Die Ladeneinrichtung ist noch vorhanden. Und auch die Backstube. Das alles erzählt mir die sehr freundliche Besitzerin des Landbäckers bei meinem zweiten Besuch in Staaken. Es ist eine traurige Geschichte, die ich lieber nur mündlich weitergeben werde.
Die Teilung von Staaken
Auf dem Weg zum Zeppelin Tower fahre ich an verfallenen Kasernengebäuden vorbei. Sie stammen aus der Zeit, als es in Staaken noch einen Flugplatz gab. Flugplätze waren es auch, die Staaken eine merkwürdige Teilung bescherten. Der westlichste Teil Staakens und damit ein Bereich des Flughafens ging per Tauschgeschäft in den sowjetischen Sektor über. Dafür erhielten die Briten ein wichtiges Stück Land von den Sowjets, um den Flugplatz Gatow ganz für sich nutzen zu können. Zuvor lagen entweder Lande- und Startbahnen oder Gebäude jeweils auf Gebiet der Anderen. Ein sehr interessanter Artikel im Spiegel aus dem Jahr 1950 beschreibt das organisatorische Chaos, das den Staakenern entstand. Miete und andere Kosten wurden in Westgeld entrichtet, Steuern dagegen mussten in Ostmark bezahlt werden. Dass gut zehn Jahre später die Dorfkirche von Alt-Staaken direkt an der Mauer stehen würde, ahnte damals niemand.
Zeppeline & Filmproduktionen
Traurig sieht er aus, der um 1925 gebaute Turm der früheren Flugaufsicht, der sogenannte Zeppelin Tower. Sein Name weist auf die Luftschiffe hin, die hier bis zum Ende des Ersten Weltkrieges hergestellt wurden. Nach dem Krieg starteten von Staaken Zeppeline im Linienverkehr. In die riesigen Hallen zogen Regisseure wie Fritz Lang für ihre opulenten Filmproduktionen ein. Ein Investor hat den unter Denkmalschutz stehenden Turm erworben, aber offenbar geht es mit der Restaurierung nicht voran.
Wohnungsbau Anfang des 20. Jahrhunderts
Autos donnern nicht weit davon über den Nennhauser Damm, an dessen Rand die würfelförmigen Häuser der Siedlung Neu-Jerusalem stehen. Sie wurden für die Angestellten der Fliegerakademie auf dem Flughafengelände gebaut. Zu ihrer Entstehungszeit in den 1920er-Jahren war für eine Doppelhaushälfte nur eine Wohnung geplant. Inzwischen sind es pro Haus vier Mietparteien. Und die vor einhundert Jahren so fortschrittlich gedachten Häuser wirken heute bedrückend. Sicherlich beeinflusst dieses Bild der tosende Verkehr drumherum.
Deutlich ruhiger, fast schon verschlafen, ist es ein gutes Stück weiter nördlich in der Gartenstadt Staaken. Die große Anlage, etwas früher entstanden als die Häuser von Neu-Jerusalem, wird bald noch einmal auf einem ausgedehnten Spaziergang erkundet.